Schang!

Von 1989 bis 1997 haben wir zusammen gearbeitet. Es begann mit einem Auftritt in der Reihe Jazz in der Kammer und ging nur 3 Wochen später weiter, anlässlich seiner Ausstellung im Alten Museum in Berlin. Gemeinsam entwickelten wir unser Stück Der Verletzlichkeit Raum geben. Wir führten es mehrmals an unterschiedlichen Orten und Tanzfestivals auf...

In diesen Tagen zeigte ich einer befreundeten Musikerin Arbeiten von ihm und dabei fiel mir eine Rede, die er am 21.10.1992 in Hannover hielt, in die Hände. Da seine Worte auch nach 32 Jahren immernoch hoch aktuell sind, schreibe ich sie hier nieder. Ich denke, er wird nichts dagegen haben, fragen konnte ich ihn nicht, er ist leider vor 3 Jahren gestorben.

"Hannover, am 21.10.1992
...PreussenElektra, Veitstanz, BEGEGNUNG mit Pinoccio...

Der Verletzlichkeit Raum geben.


In München, wo ich 1954 als gelernter Steinbildhauer hinkam, bin ich auf die Welt gekommen, geboren bin ich in der Schweiz.
Die Stadt war vom Schutt der zerstörten Häuser befreit, an wichtigen Strassen waren die Lücken durch einstöckige Geschäftsbaracken gefüllt. Der vom Faschismus angezettelte Krieg hatte Spuren hinterlassen, auch beim Menschen, ich kann die unzähligen Beinprothesen im Umkleideraum des Stadtbades nicht vergessen. Immer wieder erzählten Menschen von ihren Kriegserlebnissen, das hat mich erschüttert, die Vernichtung von Menschen, jüdischen, oder solchen wegen ihrer Herkunft aus rassistischen Gefühlen nicht geduldeten, hat mich getroffen. Ich habe als Mensch Verantwortung übernommen. Das hat mein Arbeiten geprägt.

Der Verletzlichkeit Raum geben.

Menschen gegen Menschen, Menschen mit Waffen gegen Menschen mit Waffen. Ich sah es - ich sehe es. Ich wusste es - ich weiss es. Ich konnte es nicht - ich kann es nicht begreifen, trotz vielen Erklärungen: ich will es nicht begreifen, nie.

Bildhauern, schöne Sachen machen, schöne Frauen modellieren, das wollte ich. Ich hatte Vorbilder, Mailoll, Rodin, Marino Marini. Ich liebe die Menschen, aber nur Schönes? Meine Vorbilder hatten auch Zweifel.
Die Welt hat mich aufgerissen, verletzlch gemacht und verletzt, ich bin wütend und darf nicht hassen.
Von diesen inneren Verunsicherungen und Auseinandersetzungen möchte ich mitteilen, mit meinen Figuren nach Aussen erklären. Ich möchte Verletzlichkeit Raum geben, ich möchte diesen Raum füllen: mit Rücksicht, mit Akzeptanz, mit Verständnis und Liebe. So könnte ein Umdenken entstehen, so könnte ein füreinander Dasein den Egoismus vertreiben.

Ich muss viel arbeiten um keine Zeit zu haben, mich zu schämen über meine Gutgläubigkeit.
Ich kann mit meinen Figuren wenig, fast nichts bewirken, es ist der Kleinste der kleinen Versuche etwas zu ändern.

Ich danke der PreussenElektra für diesen Raum indem ich jetzt - meine - oder - die Verletzlichkeit darstellen kann.

Schang Hutter


Ich durfte diese bewegende Ausstellung mit meinem Tanz eröffnen und heute kann ich meine damalige Bewegtheit wieder spüren.
Was mich dabei aber doch sehr beschäftigt, in den letzten Jahren tauchten und tauchen gleiche Worte, Gefühle und Gedanken in mir auf. Dieser Fakt erschüttert mich erneut! So trage ich sein Ansinnen, da es auch meins ist, weiter in diese Welt. Versuche der Verletzlichkeit - auch meiner - Raum zu geben.

 

 

SCHANG HUTTER

Im Februar 1989 begegnete ich Schang Hutter zum ersten Mal. Ich tanzte in seiner Plastik "Veitstanz Nr. 10, French Cancan Nr. 4",  innerhalb der XII. Musik-Biennale, in der Performance "Klänge-Räume-Aktionen".

Presse 1

Presse 2


Im März 1989 trafen wir uns, innerhalb seiner Ausstellung im ALTEN MUSEUM in Berlin, wieder. Dort eröffnete ich, gemeinsam mit Gottfried Röszler am Schlagzeug, seine beeindruckende Ausstellung.

Es folgten mehrere Jahre intensiver Begegnungen.

So fertigte Schang Hutter für mein Stück "membran komma die" eine Plastik an. Diese war real auf der Bühne und in Videosequenzen, die thematisch im Stück eine Rolle spielten, zu sehen. Im Juli 1993 fand die Uraufführung in Stuttgart zum Festival "Sprachen des Körpers - Natur im Kopf" statt. Zur Internationalen Tanzwoche 1994 war das Stück in Dresden zu sehen.

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Mit Schang Hutter entwickelte ich 1993 das Stück "DER VERLETZLICHKEIT RAUM GEBEN". Diese Arbeit wurde bis 1996, mit unterschiedlichen musikalischen Besetzungen, aufgeführt.
So in: Kassel im tif, Wiesbaden im Caligari (1. Wiesbadener Tanztage), Giessen (Tanzfestival), Cottbus im Theater Cottbus (Tanzfestival).

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